„…Onanieren ist eine Sache, die in München keinen Spaß macht. Oder zu viel Spaß, das kommt dann aber auf dasselbe raus. Kathi räkelt sich. Wir sind im Englischen Garten und das Wasser plätschert. Kathi trägt einen kurzen Rock und einer dieser furchtbar quälenden Spaghetti-Tops, die sich quasi von selbst bei jeder Gelegenheit den Bauchnabel nach oben schoppeln. Ihr Bauchnabel ist klein und weiß und duftet nach frischem Gras. „Hey, ist dir das aufgefallen? Der Prof ist heut rumgestanden wie Teekanne mit Darmverschluss, und viel mehr als gepresste Luft kam da auch nicht raus.“ Ich pfeife wie einer dieser alten Dampfkochtöpfe. Kathi lacht. Der Scheiß gefällt ihr. Ihre nackten, weißen Füße streicheln das Gras, als kitzle sie die Wiese und nicht umgekehrt.
Wir gehen weg, zu dritt, das geht wohl auch nur in dieser Stadt, wo beste Freunde mittlerweile zum Repertoire gehören wie das Einmal-im-Jahr-Dirndl im Schrank oder die ledernen Flip-Flops, die man abends zum weißen Sportsakko auf der Münchner Freiheit spazieren trägt. Pascal grinst blöde in eben diesem Yuppie-Fetzen, hat grade einen Pina Colada auf Ex geleert, und verabschiedet sich mit seinem obligatorischen Satz „Ich geh‘ mal kurz meine Leute begrüßen“. Wichtigtuerische Blödfresse. Pascal studiert Sportökonomie, und das sind die schlimmsten, die Sportökonomen, Mutationen aus Bewegungsfanatikern und den üblichen BWL-er Geldkramscheißern, was ja wieder „in“ ist mittlerweile, im Zuge der Wirtschaftskrise, Ellbogen raus und einer von denjenigen sein, die trotzdem noch gewinnen.
Kathi räkelt sich. Ihre Haare riechen nach Lachen und Regen und im Regen immer weiter Laufen. „Pascal ist ein echt geiler Typ, oder?“ Sie kichert, hell und aufgekratzt. Der echt so geile Pascal habe einen Einser-Schnitt, könne den Kilometer unter drei Minuten laufen, und ein hervorragender Salsa-Tänzer sei er oben drauf. Pascal ist sowas wie ein getunter Porsche, Sechs-Gang-Schaltung. Kathi kichert, laut und schrill, wie das Pinkkostüm am Nebentisch, das sein Iphone befingert, als wäre es ein Türschloss und dahinter die Welt.
Hass, durchatmen, Kathis Lächeln. Schweben können, das wäre es jetzt, einfach nur schweben können. Eine kühle Sommerbrise weht durch die Münchner Freiheit, bringt den Duft mit vom Englischen Garten. Kathi lächelt. Ich lächle zurück. In ihren grünschimmernden Augen spiegeln sich sanft die grellen Lichter, als könnten ihre Augen alle Wucht aus den Dingen nehmen, die nächtliche, lärmende Schönheit dieser Stadt abdämpfen und auf meinen Level hinab stufen, dass ich es auch hören kann, diese stille Musik in dem dunklen, weiß-blauen Himmel über uns…“
Aus Kurzgeschichtenanthologie „München“, Piper Verlag, erscheint im Frühjahr 2011